Sri Lanka: Touristenabzocke oder das Recht auf ein gutes Leben?

Sri Lanka
© Maria Kapeller

Tourguide Rohan lässt nichts anbrennen, wenn es ums Geld geht. Auch seine Landsleute wissen, wie man an ausländischen Besuchern verdient. Als Tourist in Sri Lanka fragt man sich, wo die Grenze zwischen übertriebenem Geschäftssinn und Abzocke liegt. Eine Reportage.

Von Maria Kapeller.

Rohans Augen verraten ihn. Sie sind die eines Schlitzohres, der es faustdick hinter den Ohren hat. Der Tourguide weiß, wie man mit Touristen ins Geschäft kommt: Er redet sie direkt vor ihrem Strandhotel an. Sein Vorteil: Er spricht perfekt Deutsch und ist ein geübter und kundiger Autofahrer, was auf den mit Schlaglöchern gespickten Straßen Sri Lankas unabdingbar ist. Nach harten Preisverhandlungen ist der Deal gemacht und wird per Handschlag besiegelt. Vier Tage in Rohans Kleinbus durch den Südwesten der Insel inklusive Hotelübernachtungen, exklusive Eintritte.

Steigende Touristenzahlen

Sri Lanka hat sich wieder dem Tourismus geöffnet, seit im Jahr 2009 der Bürgerkrieg zwischen tamilischen Rebellen und der Regierung beendet und knapp zwei Jahre später der Ausnahmezustand aufgehoben wurde. Der Reisebuchverlag Lonely Planet hatte das Land am Indischen Ozean 2013 zu den Top-10-Destinationen gekürt. Die Zahl der Ankünfte ist kontinuierlich gestiegen: 2010 besuchten 650.000 Menschen das Land, 2012 bereits mehr als eine Million. Ziel der Tourismus-Verantwortlichen ist es, die Besucherzahlen bis 2020 auf vier Millionen zu vermehren.

Ungeplante Zwischenstopps

Rohan nascht schon lange mit am Tourismuskuchen, er weiß wie die westeuropäischen Gäste ticken. Während er seinen Kleinbus durch Palmenhaine lenkt, erzählt er, dass es in Sri Lanka 14 Sorten Bananen gibt, heimische Landwirte ihr Geld unter anderem mit dem Anbau von Tee, Kautschuk, Kokospalmen und Gewürzen verdienen. Aus dem Radio dröhnt Abba als Rohan erklärt, dass viele Produkte nach wie vor von Hand gefertigt werden. Ungeplante Zwischenstopps kündigt er nicht an, zum Beispiel den Halt beim Ananasbauern, der wie bestellt parat steht und geübt eine süße Ananas aufschneidet. Danach unser obligatorischer Griff in die Tasche, um die Vorführung mit ein paar Rupien zu belohnen. Ein Gefühl, das man aus anderen Ländern kennt, steigt auf: Wie viele Touristen werden hier täglich von ihren Guides abgesetzt? Will und soll man dafür bezahlen, inszenierte Gastfreundschaft zu erleben? Wie denkt wohl der Bauer, der die Ananas so gekonnt zerstückelt hat, über den ausländischen Kurzbesuch?

Ananas Sri Lanka

Aufstrebendes Entwicklungsland

In den vergangenen Jahren hat sich neben dem Tourismussektor auch die Wirtschaft des 20-Millionen-Einwohner-Landes erholt. Trotz Bürgerkrieg, dem Tsunami im Jahr 2004 und einer Zeit der Rezession. Das 20-Millionen-Einwohner-Land verfügt über eine hohe Alphabetisierungsrate, eine flächendeckende Schulversorgung und eine staatliche Basisversorgung im Gesundheitswesen. Die Armutsquote bei den Haushalten hat sich in den vergangenen Jahren stark verringert, das Bruttoinlandsprodukt wächst. Allerdings sind Armut, Hunger und Unterernährung laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP vor allem in ländlichen Gebieten und bei den schlecht bezahlten Plantagenarbeitern noch verbreitet.

Besuch im Gewürzgarten

Weiter geht die Fahrt und weiterhin legt Rohan nicht-vereinbarte Zwischenstopps bei „besonders sehenswerten“ Orten ein. Zum Beispiel in einem Gewürzgarten. Der Tourguide zündet sich eine Zigarette an und schickt seine Fahrgäste mit einem einheimischen Führer mit. Auch der spricht perfekt Deutsch und kennt sich mit der ayurvedischen Wirkung von Aloe Vera, Zimt, Muskatnuss und Ananas bestens aus. Geduldig erklärt er, welche Pflanze für welches Wehwehchen geeignet ist, zwischendurch gibt’s eine kurze Massage von zwei Mitarbeitern, die wie aus dem Nichts auftauchen. Auch die wollen entlohnt werden, wir strecken ihnen ein paar Scheine entgegen, sie werfen sich enttäuschte Blicke zu und der Gewürzgarten-Führer fordert nachsichtig zu mehr Großzügigkeit auf.

Der wirkliche Aha-Effekt folgt im angrenzenden Shop: 20, 30, 40 Euro oder mehr für diverse Mixturen aus Gewürzen und Kräutern, das ist hier die Preisklasse. In einem Land, in dem das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen laut UNDP bei 2.400 US-Dollar (1.850 Euro) pro Jahr liegt. Touristennepp oder von Hand hergestellte, hochwertige Ayurveda-Produkte? Das Nein der Besucher kommt jedenfalls nicht gut an. Vom anfänglichen Verkaufsgeflüster in zarten Tönen ist bald nichts mehr zu spüren. Kein gutes Geschäft für die Shopbetreiber heißt auch kein Mitschneiden für Rohan. Die Stimmung ist getrübt.

Versöhnung auf der Dachterrasse

Aber der Mitt-Fünfziger ist ein zäher Bursche – und uns mittlerweile ans Herz gewachsen. Am Abend spendiert er eine Flasche Arrak, aus Palmzuckersaft und vergorener Reismaische gewonnener Alkohol. Auf der Dachterrasse des Hotels in Kandy schwirren Moskitos und andere Insekten herum, während wir zum x-ten Mal anstoßen und Rohan eine Mischung aus singhalesischem „Prost“ und bayerischem Kauderwelsch ruft. Es wird auf den Tisch geklopft und lauthals gelacht. Das stimmt versöhnlich. Immerhin tut hier jeder nur seine Arbeit und der Tourismus bietet für viele eine Möglichkeit, ein Auskommen zu finden. Aber zu früh gefreut – am nächsten Tag legt der Guide wieder einige außertourliche Zwischenstopps ein: Vom Verkaufsraum der Teefabrik geht’s direkt in eine Diamantenmanufaktur, in dem von der Brosche bis zum Ehering jede nur erdenkliche Form von Schmuck angeboten wird.

Teeplantagen_Hochland Sri Lanka

Wo liegt die Grenze?

Dass Touristen oft überteuerte Souvenirs kaufen oder im Vergleich zur lokalen Bevölkerung übertrieben hohe Eintrittspreise bezahlen, kennt man aus anderen Ländern. Bis zu einem gewissen Grad ist das nachvollziehbar: Auch Einheimische sollen sich Sehenswürdigkeiten anschauen können und dafür nur so viel bezahlen, wie in der Landeswährung angemessen. Viele der Gäste in Asien kommen aus Ländern mit starker Kaufkraft, ihnen fällt kein Zacken aus der Krone, wenn sie einmal mehr bezahlen. Wo aber liegt die Grenze? Wie soll man als Tourist damit umgehen, wenn man das Gefühl hat, von allen Seiten ausgenommen zu werden? Zum Beispiel vom Tuk-Tuk-Fahrer, der doppelt so viel für dieselbe Strecke verlangt wie sein Kollege zuvor. Oder vom Fischverkäufer, der unaufgefordert für ein Bild posiert und dann die Hand nach Geld ausstreckt. Vom Mönch, der dringend finanziellen Nachschub für die Restaurierung seines Klosters braucht und bereitwillig erzählt, welch hohe Summen andere bereit sind zu geben. Ist vor diesem Hintergrund eine wertfreie, für beide Seiten positiv-nachhaltige Annäherung zwischen Touristen und Einheimischen überhaupt möglich?

Fischmarkt Sri Lanka

Eintrittsgebühren von bis zu 30 US-Dollar

Zu jenen Sehenswürdigkeiten mit den höchsten Eintrittspreisen für Ausländer zählt in Sri Lanka die einstige Königsstadt Sigiriya, die auf einem 200 Meter hohem Fels angelegt ist und zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Waren es noch vor wenigen Jahren „nur“ 25 US-Dollar, so zahlt man heute bereits 30. Viele Touristen fühlen sich geneppt, was sowohl an den Reaktionen vor Ort als auch in diversen Internet-Foren erkennbar ist. Vielleicht ließe sich die kontinuierliche Preiserhöhung damit rechtfertigen, dass die Instandhaltung der Anlage ob der steigenden Besucherzahlen mit immer höheren Kosten verbunden ist. Oder mit den strengen Regeln der UNESCO zum Schutz und Erhalt ihrer Welterbestätten. Vielleicht ist es aber einfach nur Gewinnmaximierung. Selbst die Souvenirverkäufer klagen vielerorts über die überhöhten Eintrittspreise für Touristen – für ihre aus Holz geschnitzten Elefanten wollen die meisten dann nämlich kein Geld mehr ausgeben.

Kînigsstadt_Sigiriya

Königsstadt Sigiriya – auf jeden Fall sehenswert, aber auch für westliche Touristen kein billiges Vergnügen.

Tourguide Rohan redet viel und gerne über sein Land, niemals spricht er schlecht über seine Landsleute. Was ja auch verständlich ist: Sri Lanka ist wunderbar grün, landschaftlich vielfältig, hat atemberaubende Strände und muss sich auch kulinarisch nicht verstecken. Macht man nur einen winzigen Schritt abseits der Touristenpfade, wird man mit ehrlicher Herzlichkeit und Gastfreundschaft belohnt. Unsere Fragen zu den nicht vereinbarten Tourstopps oder zu den überhöhten Preisen für Touristen lässt Rohan unterdessen unbeantwortet. Als die vier Tage um sind, bringt er uns zurück zum Hotel. Dort haben inzwischen neue Gäste eingecheckt, potenzielle Kunden für Rohan. Der will aber jetzt erst einmal ein paar Tage mit seiner Familie verbringen, sagt er. Fernab von Gewürzgärten und Ananasbauern, denken wir.

Alle Fotos: © Maria Kapeller

Maria Kapeller Portraet

Über die Autorin

Maria Kapeller, Jahrgang 1983, hat in Salzburg Kommunikationswissenschaft studiert und längere Auslandsaufenthalte in der Schweiz, London und Nordirland absolviert. Heute arbeitet sie als freie Texterin und Reisejournalistin. 2012 hat sie zusätzlich das alternative Online-Reisemagazin www.kofferpacken.at gegründet.

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2 Meinungen zu “Sri Lanka: Touristenabzocke oder das Recht auf ein gutes Leben?

  1. Sonja sagt:

    Hallo Maria, von welcher Organisation bzw. wie heißt die Firma bei der Rohan tätig war? Wir suchen noch einen zuverlässigen Guide und verhandeln aktuell auch mit einem Rohan ? ? Viele Grüße Sonja

    • Maria sagt:

      Hallo Sonja! Leider habe ich deinen Kommentar erst jetzt zufällig gesehen. Rohan arbeitet nicht für eine Agentur, sondern ist Selbständig. Leider habe ich mittlerweile seine Kontaktdaten nicht mehr. Wie war denn euer Aufenthalt? Wie war die Tour? Liebe Grüße, Maria

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