Finnisch-Lappland ist das Land der Goldschürfer. 500 Hobbyschürfer jagen dort dem glänzenden Traum hinterher. Und einige Profis wie Marko Lauronen.
Von Rasso Knoller.
Gilbert Baeriswyl ist begeistert. Ein wenig sei es hier doch wie im Wilden Westen, schwärmt er. Er lächelt unter dem Mückennetz, das sein Gesicht schützt, und sagt: „Schön, dass es so etwas noch gibt.“ Der Schweizer ist ein zufriedener Mann. „Schau, diese vier Löcher habe ich diese Saison gegraben“, erzählt er stolz und weist mit seiner behandschuhten Hand über ein Stück zerfurchte lappländische Landschaft.
Baeriswyl ist Rentner und Goldgräber. Früher hat er als Polizist gearbeitet. Weil er sich auch im Ruhestand habe fit halten wollen, hat er nach etwas gesucht, das er als „sicheres Abenteuer“ bezeichnet. Als er dann im Internet gelesen hat, dass es im Norden Finnlands immer noch Goldschürfer gibt, hat sich Baeriswyl in sein Auto gesetzt und die lange Reise nach Tankavaara angetreten.
600 Schaufeln Erde sind das Tagespensum von Gilbert Baeriswyl
Das war vor einigen Jahren und seitdem verbringt der Schweizer jeden Sommer im Norden. Schaufelnd. „600 Schaufeln mache ich am Tag“, sagt er, „alle 150 Schaufeln lege ich Pause ein.“ Eigentlich stellt man sich Goldwäscher ja vor, wie sie an einem Flussufer sitzen, dort die Waschpfanne schwenken und Nuggets aus dem Sand waschen. Das ist theoretisch ganz einfach, denn im Prinzip geht es nur darum, mit Hilfe des Wassers den Sand aus der Pfanne hinauszuschwemmen, so dass das schwerere Gold zurückbleibt. In der Praxis ist die Sache aber nicht ganz so leicht, denn es braucht viel Übung bis man den richtigen Dreh heraus hat.
Und in Tankavaara braucht man auch viel Kraft – denn hier fehlt der Fluss. Das Gold auswaschen wie beschrieben, muss man auch hier. Bis man aber so weit ist, fließt einiger Schweiß. Schaufel für Schaufel wuchtet Baeriswyl den Sand auf ein erhöht stehendes Sieb, von dem aus eine geriffelte „Goldwaschrinne“ wieder zurück zum Boden führt. Die wird ständig mit Wasser gespeist und simuliert sozusagen einen Fluss. Das Erdreich wird, nachdem die Steine bereits im Sieb hängen geblieben sind, die Rinne hinabgespült und an den Rillen bleibt der goldhaltige Sand liegen. Der muss dann am Ende eines Arbeitstages ausgewaschen werden.
„Das Gold aus dem Sand herauszuwaschen ist eine Kunst“, sagt Baeriswyl. Er kann das zwar auch, damit aber auch kein einziges Gramm Gold verloren geht, lässt er lieber einen Profi ran. Und ein solcher ist Juhani Lauronen. Dem alten Mann und dessen Sohn Marko gehört der Claim, auf dem der Schweizer als „Gastwäscher“ arbeitet. Juhani, der in der Kleinstadt Raahe an der finnischen Westküste lebt, kommt schon seit 40 Jahren jeden Sommer nach Lappland. Er hat schon so manches Gramm Gold aus der finnischen Erde gewaschen. Heute ist er im Camp nur noch für das Kaffeemachen zuständig und eben auch fürs Auswaschen des Goldes – beides macht Juhani Lauronen so gut wie sonst keiner.
Juihani Lauronen und seine Goldpfanne
Ansonsten genießt er vom Klappstuhl aus den lappländischen Sommer und schaut Baeriswyl und seinem Sohn sonnenbebrillt bei der Arbeit zu. Der alte Lauronen hat das Goldwaschen sein Leben lang als Hobby betrieben, so wie etwa 500 andere finnische Goldsucher auch, die im Urlaub oder am Wochenende auf Goldjagd gehen. Marko Lauronen dagegen betreibt das Goldsuchen professionell. Von Mai bis September ist er jeden Tag draußen an seinem Claim. „Sieben Tage in der Woche“, wie er betont. „Ich versuche, vom Goldsuchen zu leben.“ Reich wird er mit seinem Claim wohl nie werden, denn in Finnland findet man keine großen Nuggets. Das Gold kommt hier in winzigen Stückchen daher und wer am Abend drei bis vier Gramm gefunden hat, kann mit dem Tag zufrieden sein. Je nach Goldkurs ist so ein Fund um die hundert Euro wert.
Goldstücke wie dieses gehören schon zu den größeren Funden.
Maschinen dürfen nur die größeren Minen benutzen. Für die anderen sind aus Umweltschutzgründen Bagger, Presslufthämmer und anderes technisches Gerät verboten. Bei Leuten wie Juhani, Marko und Gilbert ist alles Handarbeit. Die Schaufel ist die Freundin eines Goldgräbers. Das Gold muss nämlich nicht nur aus dem Sand gewonnen werden, am Ende der Saison muss man jedes Loch, das man mühsam ausgehoben hat, wieder zuschütten – aus Umweltschutzgründen. Der Gesetzgeber will es so.
Gilbert Baeriswyl und Juhani Lauronen.
Freiheit, die sie meinen
Viel Arbeit und wenig Geld. Es muss also etwas Anderes sein, dass die Männer hinaus in die Wildnis lockt. „Freiheit“ ist ein Wort, das man immer wieder hört. Auch vom unabhängigen Leben in der Natur sprechen sie alle. Und dann hat sich bei jedem Goldsucher ganz weit hinten im Kopf auch die Hoffnung eingegraben, doch einmal den ganz großen Fund zu machen – ein Riesennugget zu finden, das das Leben verändert. 2008 wurde das letzte Mal ein solcher Traum wahr. Exakt 193 Gramm war das Goldstück schwer, das Risto Vehviläinen gefunden hat. 40.000 Euro hat er damals für sein Nugget bekommen. Aber auch das ist nur ein kleiner Jackpot, wenn man bedenkt, dass der damals 57-jährige 30 Jahre lang nach diesem Schatz gesucht hat.
Weil die Freiheit der größte Lohn ist, den sie bekommen, brauchen auch die besten unter den Goldsuchern im Winter einen Job – Marko Lauronen verdient dann ein paar Euro als Fotograf und Rockmusiker dazu. Mit seiner Band tritt er dann in den Kneipen der Region auf. Trainieren kann er sein Gitarrenspiel aber erst im Herbst, wenn die Goldsaison zu Ende geht. Mit den von der schweren Arbeit auf den Goldfeldern malträtierten Händen lassen sich die Saiten nicht gekonnt zupfen. Als Fotograf arbeitet er auch schon im Sommer. Dann, wenn im Juli in Tankavaara die offene finnische Meisterschaft im Goldwaschen stattfindet. Mit Wettbewerben hat Marko Lauronen nichts am Hut und deswegen macht er als einer der wenigen Profis nicht mit. Lieber verdient er ein bisschen Geld, indem er im Auftrag des Veranstalters seine Kollegen fotografiert.
Der Autor
Rasso Knoller wurde 1959 in Augsburg geboren. Ein Finnlandbildband, der ihm als Jugendlicher in die Hände fiel, faszinierte ihn so sehr, dass er von da an alle Sommerferien in Nordeuropa verbrachte. Dass er später neben Englisch und Politikwissenschaften auch Skandinavistik studierte, war Ehrensache. Teile des Studiums absolvierte er in Stockholm, später arbeitete er mehrere Jahre beim Finnischen Rundfunk in Helsinki und als freier Journalist in Oslo. Bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammer war er als Übersetzer mit dabei.
Nach mehreren Jahren in Nordeuropa wohnt er seit 1999 – nach einem Umweg über Stralsund – in Berlin. Sowohl Mecklenburg-Vorpommern, vor allem aber Berlin hat er seitdem auch journalistisch für sich erschlossen. Bisher sind die drei Berlinbücher von Rasso Knoller erschienen.
Außerdem arbeitete er einige Jahre als Redakteur beim AUSTRALIEN-Magazin, schreibt regelmäßig für Zeitschriften und Zeitungen und verfasst Bücher. Bisher sind von ihm mehr als 60 Bücher erschienen: Reiseführer und Reisekurzgeschichten über Nordeuropa sowie über Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Irland, Arizona, Malta, Mallorca, Gomera, die Kapverden und viele andere Länder. Dann aber auch Bücher zu Gesundheitsthemen, über Sport und aktuelle Themen wie beispielsweise Stalking. Und in Finnland lernen die Kinder “mit Knoller” Deutsch – denn dort hat er ein Schulbuch verfasst.
Bei der Meisterschaft geht es darum, im Sand versteckte winzige Goldstückchen so schnell wie möglich herauszuwaschen. Für jedes Teil, das im Sand zurückbleibt, bekommt man drei Strafminuten. Besonders fies: Niemand weiß, wieviel Goldstücke verborgen sind. An die 200 Teilnehmer machen jedes Jahr bei der Meisterschaft mit, angefangen von kleinen Kindern bis zum 92-jährigen Veteranen. Anfänger sind mit dabei und Profis. Die erkennt man an der „Uniform“ der Goldgräber – dem Hut auf dem Kopf und dem langen Bart im Gesicht. Aus den Lautsprechern am Wettkampfgelände tönt stilecht Country Music. Denn tief im Herzen sind sie doch alle Cowboys, die hier die Goldpfannen um die Wette schütteln. Im Publikum sitzen lauter Kenner, manch einer auf der Tribüne hat schon die Goldpfanne in der Hand und bereitet sich gedanklich auf den eigenen Einsatz vor. Gewinnen will jeder, doch nicht so sehr, als dass der Spaß zu kurz käme. Das Bier auf dem Festivalgelände kostet vier Euro, die Wurst sieben. Ein Preisunterschied, der zumindest erahnen lässt, worauf der Schwerpunkt der Unterhaltung liegt.
Goldschürfen für den Zaren
Das erste Gold in Finnland fand ein gewisser J.G. Boucht 1836 in der Nähe von Kemi. Das gefiel dem Zaren. Damals gehörte Finnland zu Russland und der Chef auf dem Thron hoffte durch finnisches Gold seine angeschlagenen Staatsfinanzen aufbessern zu können. Deswegen schickte er sofort einige Goldsucher nach Nordfinnland. Es dauerte aber bis 1868, bis man dort wieder auf Gold stieß. Jetzt hatte auch Finnland seinen Goldrausch – verwegene Männer strömten auf der Suche nach dem großen Glück an die Ufer des Ivalo- und Lemmenjokis. Wirklich ergiebig waren die Claims schon damals nicht, und die meisten Glücksritter kehrten genauso arm heim wie sie gekommen waren. Ein paar Glückspilze aber gab es dann doch und von denen erzählt man sich heute noch. Innerhalb von nur drei Wochen wuschen beispielsweise die beiden Seeleute Jakob Ervast und Niklas Lepistö 1869 zwei Kilogramm Gold aus dem Lemmenjoki. Das war zwar im Vergleich zu dem, was auf den Goldfeldern Kanadas, Alaskas und Australiens zu holen war, verschwindend gering. Doch es reichte aus, um für einige Jahrzehnte die Hoffnung auf das finnische Eldorado am Leben zu halten. Da die Bedingungen aber extrem hart und die Erträge gering waren, verließen die meisten Goldsucher die Gegend wieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte nochmals ein kleiner Goldrausch ein – seitdem hat die Suche nach Gold in Lappland nie mehr ganz aufgehört.
Aufgeben käme auch für Marko Lauronen nie in Frage. Er hat hier draußen seinen Traum gefunden. In der Stadt fühle er sich eingesperrt, sagt er. Dabei könnte man sich den Enddreißiger – zumindest optisch – ganz gut im Großstadtdschungel vorstellen. Lässig sieht er aus in Lederjacke und Cowboystiefeln, seine Kamera in der Hand. Oder cool auf die Schaufel gelehnt draußen an seinem Claim. Und vermutlich bricht er manches Frauenherz, wenn er, die Gitarre in der Hand mit seiner Band auf der Bühne steht. Für ein Leben als Familienvater in der Stadt ist Marko aber nicht zu haben „Gegen die Goldkrankheit gibt es keine Heilung.“ Das weiß er bestimmt.
Auch Gilbert Baeriswyl kommt jedes Jahr wieder nach Tankavaara. Vor einigen Jahren hat er seiner Frau immerhin ein Souvenir mit nach Hause gebracht. Zum Abschied zeigt er mir den Ehering an seiner Hand. Das Gold dafür hat er selbst geschürft.
INFO: Tankavaaran Kultakylä – im Golddorf von Tankavaara, findet nicht nur jedes Jahr die Finnische Meisterschaft im Goldwaschen statt, hier kann man in Hütten und auf einem Zeltplatz übernachten, im Restaurant Wanho Waskoolimies (dt. Alter Goldgräber) deftig essen und einen Goldwaschkurs mitmachen. Auch Gilbert Baeriswyl, der Protagonist aus der Geschichte, hat hier sein Handwerk erlernt.
www.tankavaara.fi
Kultamuseo – Goldmuseum, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Golddorf liegt das Goldmuseum, in dem man sich das theoretische Wissen über Gold und den Goldrausch im Finnland holen kann. www.kultamuseo.fi, geöffnet Mo-Fr 10-16 Uhr, Sa 12-16, Juni-Sept tgl. 9-17 Uhr.
Alle Fotos: © Rasso Knoller
Bei steigenden Goldpreisen werden aufgegebene Lagerstätten wieder interessant. Doch nur die wenigsten Goldsucher haben das Glück, einen lohnenden Fund zu machen. Das Gold ist meist fein verteilt in Form von Flitterchen oder es ist Katzengold (Pyrit). Ich war um 1990 herum in Laanila, habe MItte Mai nach Gold gesucht, aber nichts gefunden.