Von Sebastian Breuer.
Ist es die Lust nach dem Fremden, nach dem Unvorhersehbaren oder schlichtweg die sportliche und mentale Herausforderung, welche mich in regelmäßigen Abständen dazu antreibt, mit dem Fahrrad über Tage oder auch Wochen hinweg unterwegs zu sein, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen?
Beginnt die Flucht aus dem stressigen Alltag bereits mit dem Linienziehen der Maus am Rechner auf einer virtuellen Landkarte oder erst mit der ersten Radumdrehung? An dieser Stelle kann ich keine Antwort geben. Ich weiß nur, dass es mich das alles bis in die Haarspitzen fasziniert.
Als Teilnehmer der vergangenen vier Mountainbike Weltmeisterschaften im Trikot der deutschen Nationalmannschaft bin ich Herausforderungen gewöhnt. Doch dass das Bikepacking anders ist, bemerkte ich bereits bei meiner Europadurchquerung von Oslo nach Meran und zurück nach Bensheim. Beim Bikepacking verbinden sich der Fahrspaß eines leichten Rades mit der Faszination von ausgedehnten Radreisen. Dabei werden spezielle Taschensysteme verwendet, die man ohne Träger am Fahrrad montieren kann. So kann man auf langen Touren ausgefahrene Pfade verlassen und auch in unwegsamem Gelände unterwegs sein. Das Ergebnis: Du bist auf dich gestellt, entscheidest selbst und erlebst jeden Tag neue Dinge.
Gestartet in Faro führten mich die ersten Kilometer meiner Reise durch das Hinterland der wunderschönen Algarve. Ein Kontrast wie er hätte kaum besser sein können. Noch am Tag zuvor im kalten Deutschland, nass vom Dauerregen, war ich nun umgeben von Orangen-Plantagen und Olivenhainen, bei 22 Grad und blauem Himmel. Ab Tavira sollte ich dann auch endlich Meeresluft atmen können.
Der erste Tag einer Radreise, so zumindest bis dato mein Eindruck, ist immer etwas schwierig. Die Taschen sitzen nicht perfekt, man sucht seinen Rhythmus oder hat schlichtweg den Alltag daheim noch nicht ausgeschaltet. Doch dieses Mal war es anders.
Direkt im Flow, vergingen die Kilometer an der portugiesischen Küste wie im Flug. Bald überquerte ich den Grenzfluss Rio Guadiana nach Spanien. Außer der Zeitumstellung (Portugal liegt eine Stunde zurück) bemerkte ich allerdings nicht viel vom „neuen“ Land, viel zu selbstverständlich ist für uns Europäer der Grenzübertritt. Ein Privileg, das leider vielen Menschen auf diesem Planeten verwehrt ist…
Sevilla begeistert mich bereits seit Jahren. Hier konnte ich einfach keinen Bogen drum herum fahren. Als Frühstücksmensch und Gründer eines eigenen kleinen Coffee Startup war außerdem die Lust zu groß, hier in einem kleinen Café einzukehren und ein ausgiebiges Frühstück zu genießen.
Die spanische Millionenmetropole Sevilla ist sicherlich kein Bikepacking Hotspot. Große Straßen, viel Verkehr und unfassbar weiträumig, muss man genau wissen wohin man will. Durch einige vorhergegangene Besuche Sevillas hatte ich aber einen Plan. Mein Ziel war das Café „Jester“ im Stadtzentrum. Ausgesprochen guter Kaffee, schmackhafte Frühstück-Bowls und eine unfassbar leckere Zimtschnecke ließen mich viel zu lange die Zeit vergessen. Seid ihr das nächste Mal in Sevilla, plant dieses Café in der Calle Puerta de la Carne mit ein. Es wird Euch nicht enttäuschen.
Nicht jeden Tag hat es mit dem Kaffee zur Mittagszeit geklappt. Da gibt es auch einfach Tage, da freut man sich über Stärkung aus dem Supermarkt. Wenn dann noch zufällig ein bequemer Stuhl wartet, kann man getrost Siesta machen.
Tag zwei endete unverhofft in Ronda. Eine kleine spanische Stadt, errichtet auf einem Berggipfel in der andalusischen Provinz Malaga. Romantische Ausblicke zum Sonnenuntergang und kleine Gassen bezaubern auf den ersten Blick. Wie der Zufall es wollte, lernte ich in einem kleinen Bistro zur Mittagszeit eine Gruppe Rennradfahrer aus Deutschland kennen und konnte ihrer Einladung zum Abendessen inklusive Übernachtung nicht widerstehen. So endete der Tag auf dem Rad bereits nach 150 Kilometern und einer Menge Gegenwind. Ein gelungener Abend bei einem ausgiebigen Abendessen über den Dächern Rondas führte mich zu der Erkenntnis, dass der kommende Tag lang werden würde. Bis zum Gipfel der Sierra Nevada waren es nämlich 230 Kilometer quer durch Andalusien. Das Abendessen wars wert…
Ronda.
Tag Nummer drei brachte mir einen Sonnenuntergang auf 2200 Metern Höhe, kurz unter der Schneegrenze. 230 Kilometer und 4000 Höhenmeter waren jeden Augenblick dort oben wert. Umgeben von spanischen Ski-Touristen war ich der einzige Sommersportler weit und breit.
Ein Phänomen, welches ich bis dato nur aus Berichten anderer Radreisender kannte: Straßen, die nach einem Plan B verlangen. Ich hatte Glück im Unglück und musste nicht schwimmen. Ein kleiner Weg mit ein paar dicken Steinen sollte mich trocken über den Fluss bringen.
Ein halber Ruhetag folgte. Nach 70 Kilometern entschied ich mich, den Tag bei spanischer Tortilla und Café con leche ausklingen zu lassen. Ein kleines Bergdorf am Fuße der Sierra Nevada eignete sich perfekt. Kaum Internet Empfang, fern ab der Zivilisation und ein viel zu kleines Bett für einen Radfahrer von 1,95 Meter. So sieht Urlaub aus.
Endlose Straßen und schlechte Routenführung prägten den fünften Tag. Eine Fahrt durch die Sierra Nevada führt einem vor Augen, dass es auch in Spanien in vielen Regionen noch schlechte Straßennetze gibt. Wege, die ohne Vorankündigung nach 10 Kilometern in groben Schotterstraßen oder gar im Nichts enden. Sollte man allerdings doch eine intakte Straße finden, führt diese endlos geradeaus. Ich bin sie noch nie gefahren, doch so stelle ich mir die sagenumwobene Route 66 in Amerika vor. Guter Asphalt soweit das Auge reicht, links und rechts vertrocknete Steppe und hier und dort ein paar Tiere am Straßenrand. An diesem Tag habe ich so wenig Autos gesehen wie sonst nur während einer Indoor-Trainingseinheit daheim. Ich werde ihn so schnell nicht vergessen.
Der Weg nach Murcia führte mich unweigerlich durch Almeria. Ich hatte den Namen und das, wofür er bekannt ist, oft gehört, konnte ich mir nie wirklich vorstellen, dass hier Tomaten wachsen können. In Almeria wird die negative Seite der Globalisierung offensichtlich. Gewächsplantagen dicht an dicht, die restliche Landschaft dürr und vertrocknet. Hier und dort eine kleine touristische Stadt, direkt am Meer gelegen. Ich habe lange mir gerungen, ein Bild dieser Landschaft zu machen, zu groß war aber letztendlich der Schreck über die Zerstörung der Natur durch den Menschen.
Hinter Almeria waren die Plastiklandschaften allerdings vergessen. Es ging fort vom Meer ins Landesinnere. Kurz vor Murcia erstreckte sich nochmals eine Art Canyon. Vorbei am Gipfel des Mirador El Puntarrón ging es direkt ins Herz der spanischen Universitätsstadt. Nach 1000 Kilometern erreichte ich hungrig mein Ziel.
Solltet ihr mehr zu meinen Abenteuern, meinen sportlichen Zielen und Herausforderungen erfahren wollen, schreibt mir bei Instagram (seb_Breuer). Über Euer Feedback freue ich mich.